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Freiverantwortlichkeit

Voraussetzungen des assistierten Suizids

Wer nicht die Methoden wie äußere Gewalt, Giftpflanzen oder rezeptfreie Medikamente verwenden will, braucht einen Arzt für das Rezept. Bei der Involvierung jeglicher zweiter Person in einen Suizid bedroht das Strafrecht die Mitwirkenden, vor allem den rezeptierenden Arzt, wann immer nicht freiverantwortliche Suizidwillige unterstützt werden: Denn die Freiverantwortlichkeit ist die unverzichtbare Voraussetzung, damit sie sich nicht strafbar machen. Bereits die reine Mitwisserschaft kann als unterlassene Hilfeleistung strafbar sein. Die Begleitung bis Beihilfe durch „Garanten“ wie z. B. Familienangehörige, Ärzte (Rezept bis Infusion), Pflegekräfte u. a. kann als Tötung (in mittelbarer Täterschaft) strafbar sein.

Die Freiverantwortlichkeit ist also absolute Voraussetzung, sowohl für die komplette Begleitung in der letzten Lebensphase, für das Rezeptieren des Wirkstoffs als auch für Hilfe bei Applikation, Anlage der Infusion usw.. 

Verfassungsrechtlich gesehen ist also eine ungestörte Einsichts-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit die Grundvoraussetzung zur Inanspruchnahme des Grundrechts auf Selbstbestimmung.

(Quellenangabe: Nach Putz, Wolfgang; de Ridder, Michael: Die aktuelle Rechtsprechung und die Suizidhilfe, HSHS 2024-2, S 9-11)

Einsichts-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit

Die Freiverantwortlichkeit des Suizidenten hat als unverzichtbare rechtliche Voraussetzung die Einsichts-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit, kurz Einwilligungsfähigkeit.
Jedes Zusammenwirken zwischen Arzt (analog nichtärztlichem Suizidhelfer) und Suizident setzt die Einwilligungsfähigkeit des Patienten bzw. Suizidenten voraus (§630 d, Abs. 1 BGB). „Eingangsvoraussetzung“ der Freiverantwortlichkeit ist, dass keine relevante(!) krankhafte, psychische Störung der Einsichts-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit vorliegt, auf der die Beurteilung und Entscheidung kausal beruht.

Die Einwilligungsfähigkeit setzt die Einsichts-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit voraus, dass also „eine hinreichende Einsichts- und Handlungsfähigkeit … besteht, so dass sie hiermit einen freien und damit maßgeblichen Willen bilden können“ (BVerfG vom 26.07.2016, BVerfGE 142,313). Diese Einwilligungsfähigkeit versetzt den Suizidenten in die Lage, die weiteren Voraussetzungen der Freiverantwortlichkeit zu verstehen, zu beurteilen und sodann eine Entscheidung zu treffen. 

Wenn es dem Suizidenten an einer hinreichenden Einwilligungsfähigkeit fehlt, ist sein geäußerter Wille ohne unmittelbare rechtliche Wirkung. Ob die für die Freiverantwortlichkeit erforderliche Einwilligungsfähigkeit nicht durch krankhafte Störung ausgeschlossen ist, muss bei allen Beteiligungsformen an Suiziden anderer Menschen sorgfältigst abgeklärt werden.

Ein nicht freiverantwortlicher Suizid darf nicht begleitet und muss abgewendet werden. Nach dem Medizinrecht ist „nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards“ zu handeln, §630 a BGB. Jeden Suizidhelfer, egal welcher Profession und/oder Qualifikation, trifft für seinen Beitrag die volle Verantwortung für „seinen“ Suizidenten, dass dieser zum Zeitpunkt der Selbsttötung freiverantwortlich ist.

Dazu gehört als erste unverzichtbare Stufe die Voraussetzung, dass die Suizidentscheidung nicht kausal auf einer die Einwilligungsfähigkeit ausschließenden krankhaften psychischen Störung beruht. In unserem Rechtsstaat garantiert die Verfassung, dass jeder bis zum Beweis des Gegenteils einwilligungsfähig ist. In der rechtlich korrekten Praxis ist die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit entweder aufgrund eines ärztlichen Behandlungsverhältnisses, z. B. als langjähriger Hausarzt, Onkologe oder Palliativmediziner vorstellbar, nötigenfalls zur zusätzlichen Absicherung mittels eines psychiatrischen Gutachtens. Alles muss beweissichernd dokumentiert werden.

Die rechtsstaatlich zwingend gebotene hohe Hürde der Freiverantwortlichkeit sichert das Lebensrecht nicht freiverantwortlicher Menschen, ihre Missachtung bedroht Suizidhelfer mit dem scharfen Schwert des Strafrechts.